top of page

Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Hormonersatz-Therapie in der Postmenopause

Östrogene haben vielfältige Wirkungen auf die Organe u.a. auf die Durchblutung von Herz und Hirn. Als Irrtum hat sich allerdings herausgestellt, dass Östrogene die höhere Lebenserwartung von Frauen durch Reduktion von Herz-Kreislauf-Erkrankungen begründen. Daher sind günstige Wirkungen der Östrogene gegen ungünstige abzuwägen, wenn es um einen Ersatz der Östrogene nach der Menopause (HRT) geht.

 

Zweifellos vermindern Östrogene postmenopausale Beschwerden wie Hitzewallungen, Schlafstörungen und die Neigung zu Osteoporose. Das Risiko für drei wesentliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen - Thrombose, Schlaganfall und Herzinfarkt - kann im Einzelfall aber ungünstig beeinflusst werden. Überwiegend scheint dafür die Wirkung von Östrogenen auf die Leber und damit die Aktivierung unter anderem der Blutgerinnung verantwortlich zu sein. Das aber ist weitgehend zu umgehen, wenn Östrogen nicht als Tablette geschluckt (oral) sondern über die Haut (transdermal) als Pflaster, Gel oder Spray appliziert wird.

 

Unter einer Thrombose versteht man ein Blutgerinnsel in einer Vene oft zum Beispiel eines Beines. Die Thrombose behindert den Abfluss des Blutes aus dem Bein, sodass es unter Schmerzen anschwillt. Im ungünstigen Fall wandert der Thrombus mit dem Blutstrom in die Lunge, was zur lebensgefährlichen Lungenembolie führt.

Thrombosen werden durch erhöhte Aktivität der Blutgerinnung ausgelöst. Der können erbliche Neigung, starkes Übergewicht (Body-Mass-Index (BMI) ≥30kg/m², Verletzungen der Venen oder verminderter Blutfluss aufgrund von Inaktivität oder Östrogen zugrunde liegen.

Hinweise auf eine Veranlagung geben venöse Thrombosen bzw. Lungenembolien enger Blutsverwandter oder eigene Erfahrung. Dann gilt Östrogentherapie als kontraindiziert, auch wenn das Thromboserisiko durch transdermale Applikation (Pflaster, Gel oder Spray) nach heutigem Wissen vermieden wird.

 

Das folgenschwerste Risiko einer Thrombose ist ein Schlaganfall. Anders als eine Thrombose in einer Vene kann ein Blutgerinnsel in einer Arterie in das Gehirn geschwemmt werden. Lähmungen und Sprachstörungen können die Folge sein. Dieses Risiko kann ebenfalls durch transdermale statt orale Östrogentherapie deutlich reduziert werden. Bei niedriger Dosierung des Pflasters oder eines Gels scheint das Risiko sogar nicht mehr zu bestehen. Aber auch hier gilt, dass ein vorbestehender Schlaganfall, mag er noch so geringfügig gewesen sein wie eine TIA (Transitorische ischämische Attacke), eine Kontraindikation für eine Östrogen-basierte HRT ist.

 

Das geringste Herz-Kreislauf-Risiko hat eine Östrogen-basierte HRT auf den Herzinfarkt. Dem liegt der Verschluss einer Arterie des Herzmuskels durch ein Blutgerinnsel zugrunde. Deshalb sprechen gegen eine Östrogentherapie Hinweise auf Durchblutungsstörungen des Herzens wie vorausgegangener Herzinfarkt, Koronare Herzkrankheit gekennzeichnet durch Angina pectoris oder der Nachweis von Arteriosklerose in den Herzkranzgefäßen.

 

Wegen der ungünstigen Wirkungen von Östrogenen auf Thrombose, Schlaganfall und Herzinfarkt sollte vor einer Östrogen-basierten Therapie postmenopausaler Beschwerden Hinweisen auf ein erhöhtes Risiko nachgegangen werden. Rauchen, Bluthochdruck, hohes Cholesterin oder Diabetes sind Risikofaktoren für Schlaganfall und Herzinfarkt. Deshalb sollten vor Beginn einer Östrogen-basierten HRT Erhöhungen von Blutdruck, Blutzucker und Cholesterin ausgeschlossen oder entsprechend behandelt sein und Rauchen eingestellt sein.

 

Allerdings ist das Risiko für einen Schlaganfall in den ersten 10 Jahren nach der Menopause sehr niedrig und der Einfluss einer Östrogen-basierten HRT auf das Herzinfarktrisiko bei Beginn der Therapie in dieser Zeitspanne vernachlässigbar. In jedem Fall, aber zumindest bei Hinweisen auf ein mögliches erhöhtes Thromboserisiko, empfiehlt sich eine Abklärung der Gerinnung (Thrombophilie-Diagnostik) vor einer Östrogentherapie.

 

Das Risiko einer transdermal applizierten Östrogentherapie wird aber im Vergleich zu einer oralen HRT als sehr gering eingeschätzt. Es bleiben dennoch aktuelle und vorausgegangene Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Kontraindikationen. Dasselbe gilt für östrogen-abhängige bösartige und gutartige Tumore wie Brustkrebs.

 

Dann kommen nur Östrogen-unabhängige Alternativen in Frage. Kognitive Verhaltenstherapie (CBT) kann als psychologische Methode Hitzewallungen erträglicher machen. Natürliche Mittel sind nicht sehr gut untersucht, können aber wie Cimicifuga-Präparate wenn auch nur als Placebo bedingt effektiv sein, während bei Isoflavon-Präparaten mit Östrogen-vergleichbaren Nebenwirkungen gerechnet werden muss. Antidepressiva, Mittel gegen neuropathische Schmerzen und das Hochdruckmittel Clonidin werden gelegentlich eingesetzt, sind aber ohne entsprechende Zulassung nicht zu empfehlen.

 

Geprüft und zugelassen ist der erste Neurokinin-3-Rezeptor-Antagonist. Neu ist diese Möglichkeit, ohne Östrogen-Effekt spezifisch Hitzewallungen zu beeinflussen. Das wurde durch die Aufklärung des Pathomechanismus menopausaler Hitzewallungen möglich. Östrogen hemmt den Botenstoff Neurokinin B und dadurch indirekt die übermäßige Aktivierung des Neurokinin-3-Rezeptors am thermoregulatorischen Zentrum im Hypothalamus. In der Postmenopause erlischt dieses negative Feedback auf die Wärmeregulation, sodass es anfallsweise durch Übersteuerung zu übermäßiger Hitzeproduktion kommt. Heute können Hitzewallungen durch direkte Antagonisten der Bindung von Neurokinin B am Neurokinin-3-Rezeptor gedämpft werden. Damit werden Hitzewallungen seltener und schwächer ohne unerwünschte Wirkungen von Östrogen.

 

Zusammengefasst ist Östrogen das wirksamste Mittel gegen Hitzewallungen und ihre Folgen wie Schlafstörungen in der Postmenopause. Die Risiken einer oralen Hormonersatztherapie (HRT) wie Thrombose oder Schlaganfall können bei Beginn der Therapie in den ersten 10 Jahren der Postmenopause durch transdermale Applikation (Gel, Pflaster, Spray) in üblicher niedriger Dosierung deutlich vermindert oder aufgehoben werden.

Voraussetzung ist allerdings in jedem Fall, dass Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes oder hohes Cholesterin optimal eingestellt sind, Rauchen aufgegeben ist und der Verdacht auf eine Neigung zu Thrombosen näher abgeklärt ist. Es bleiben aber Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall und Östrogen-abhängige Tumore wie Brustkrebs auch nach ihrer Behandlung Kontraindikationen.

Alternativ kommt eine Östrogen-freie Behandlung in Frage. Erprobt und zugelassen ist ein Neurokinin 3-Rezeptor Antagonist, der direkt am Thermoregulatorischen Zentrum ohne Östrogen-Effekte spezifisch Hitzewallungen vermindert, ohne dass bisher schwerwiegende Nebenwirkungen bekannt sind. Derartige Behandlungsalternativen werden in Zukunft eine zunehmende Rolle spielen.

Zuletzt aktualisiert am 01.01.2025

​

Prof. Dr. med. Eberhard Windler

Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und SANA Praevention Hamburg

bottom of page